A N W A L T S K A N Z L E I   P E E S

RECHTSANWÄLTIN JUDITH PEES




  • BVerfGE: Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag über den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 10. November 2022 hinausgehend in weiteren 31 Wahlbezirken des Landes Berlin sowie den zugehörigen Briefwahlbezirken für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet. Zudem hat er den genannten Beschluss des Bundestages insoweit aufgehoben, als die Bundestagswahl in sieben Wahlbezirken und den damit verbundenen Briefwahlbezirken für ungültig erklärt wurde (BVerfG, Urteil vom 19.12.2023 - 2 BvC 4/23).
  • EuGHE: Eine öffentliche Verwaltung kann das sichtbare Tragen von Zeichen, die weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen erkennen lassen, verbieten, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen. Eine solche Regel ist nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal dieser Verwaltung angewandt wird und sich auf das absolut Notwendige beschränkt. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden (EuGH, Urteil vom 28.11.2023 - C-148/22).
  • BVerfGE: Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 ist nichtig. Die Regierung darf Haushaltsmittel für den Kampf gegen Corona nicht für den Klimaschutz verwenden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es geht um 60 Milliarden Euro. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass der Bund zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf. Die Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei verfassungswidrig, verkündete das höchste Gericht Deutschlands. Es gehe um die Wirksamkeit der Schuldenbremse, sagte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König, bei der Verkündung. Demnach hat der Gesetzgeber zwar einen Spielraum, wie er mit einer Notlage umgehen will und durfte also 2021 ausnahmsweise Schulden machen. Aber das Gericht sagt auch: Er hätte besser begründen müssen, warum später die Mittel für das Klima ausgegeben werden sollten und warum das helfen könnte, die Corona-Folgen abzumildern. Wegen der Notfallsituation während der Corona-Pandemie hatte der Bund den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. In solch außergewöhnlichen Situationen ist es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen (BVerfG Urteil vom 15. 11.2023 - 2 BvF 1/22).
  • BVerwGE: Die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) vorgesehene Versagung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist angesichts der Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet mit anderen Mitteln zu beenden, mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 07.11.2023 entschieden. Der Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt. In der Abwägung stehen die mit dBVerfGem fehlenden Zugang zu Natrium-Pentobarbital verbundenen Belastungen für Sterbewillige, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, nicht außer Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz. Der mit der Verbotsregelung verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stehen nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Grundrechtseingriffs stehen; für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gibt es andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches (BVerwG Urteil vom 07.11.2023 - 3 C 8.22).
  • BVerfG: Die Impfflicht gegen Masern für Kitakinder ist verfassungskonform. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden und die Verfassungsbeschwerden mehrerer Eltern abgewiesen. Diese sahen in der Impfpflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Kinder auf Körperliche Unversehrtheit und ihr Erziehungsrecht als eltern. Tatsächlich berührt die Impfpflicht sowohl das Grundrecht auf elterliche Sorge aus Art. 6 Grundgesetz (GG) als auch das Recht der beschwerdführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein, erkannte der Erste Senat des BVerfG. Beide Eingriffe seien allerdings verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Schutz der Menschen, die durch eine Maserninfektion gefährdet seien, habe Vorrang. Einen solchen könne der Gesetzgeber bestimmen, und das habe dieser mit der entsprechenden Regelung im Infektionsschutzgesetz (IfSG) ohne Verstoß gegen das Verfassungsrecht getan (BVerfG, Beschl. v. 21.07.2022 Az. 1 BvR 469/20 u.a.).
  • OVG Saarland-Beschluss: OVG kippt 2G-Regelung im Saar-Einzelhandel: Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Beschluss vom 21.02.2022 einem Eilantrag mehrerer saarländischer Fachmärkte für Elektronikartikel auf vorläufige Außervollzugsetzung der Zutrittsbeschränkungen zu Einzelhandelsgeschäften nach der 2G-Regelung stattgegeben. Nach der beanstandeten Bestimmung ist nicht-immuniseirten Personen der Zutritt unter anderen zu den Elektronikmärkten verwehrt (sog. 2G-Konzept). Nach Auffasung des Oberverwaltungsgerichts verstößt die angegriffene Regelung gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit von Normen (OVG Saarland, Beschluss vom 21.01.2022 - 2 B 295/21).
  • OVG Saarland-Beschluss: OVG setzt 2G-Regelung bei Woolworth außer Vollzug: Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Beschluss vom 27.12.2021 einem Eilantrag der Fa. Woolworth auf vorläufige Außervollzugsetzung einer Bestimmung der aktuellen saarländischen Corona-Verordnung wegen einer voraussichtlichen Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes bezogen auf die Antragsellerin stattgegeben. Die angegriffene Bestimmung sieht vor, dass die sog. 2G-Regelung nur für solche Mischsortimenter nicht gelten soll, in deren Warenangebot Grundbedarfsartikel wesentlich überwiegen. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt die gegenüber der Antragstellenden Fa. Woolworth außer Vollzug gesetzte Bestimmung der aktuellen Corona-Verordnung der Landesregierung voraussichtlich das allgemeine Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG (OVG Saarland, Beschluss vom 27.12.2021 - 2 B 282/21).
  • EuGH-Urteil: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten. Das Verbot des Tragens jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen könne durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden, urteilte der EuGH. Diese Rechtfertigung müsse jedoch einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entsprechen, und die nationalen Gerichte könnten im Rahmen des Ausgleichs der in Rede stehenden Rechte und Interessen dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedstaats, und insbesondere den in Bezug auf den Schutz der Religionsfreiheit günstigeren nationalen Vorschriften, Rechnung tragen (EuGH, Urteil vom 15.07.2021 - C-804/18 und C-341/1).
  • OVG Saarland-Beschluss: Das Ober­verwaltungs­gericht des Saarlandes hat mit Beschlüssen vom 17.11.2020 den Anträgen von Betreibern von Massage-Praxen und Kosmetikstudios gegen die Betriebsuntersagung in § 7 Abs. 4 Satz 1 der aktuellen Verordnung der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stattgegeben. Die einschlägige Regelung in § 7 Abs. 4 der Rechtsverordnung untersagt die Erbringung körpernaher Dienstleistungen, wie sie in Kosmetikstudios, Massage-Praxen und ähnlichen Betrieben erfolgt. Heilmittelerbringer und Gesundheitsberufe sind von den Betriebs­untersagungen ausgenommen. Der Betrieb von Friseursalons und Tattoo- bzw. Piercing-Studios ist im Rahmen der bestehenden Hygienekonzepte weiterhin zulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass das umfassende Betriebsverbot für Kosmetikstudios und Massage-Praxen unter Berücksichtigung der von den Antragstellern dargelegten umfangreichen Sicherungsmaßnahmen und Hygienekonzepten voraussichtlich eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen in der Verordnung zugelassenen "körpernahen Dienstleistenr" darstellt. Nach den Angaben des Robert-Koch-Instituts zu den Infektionsgeschehen lasse sich keine Relevanz von Kosmetikstudios und Massagepraxen für die Weiterverbreitung des Corona-Virus entnehmen (OVG Saarland, Beschluss vom 17.11.2020 - 2 B 337/20 und 2 B 340/20).
  • VG Gera-Beschluss: Die Verpflichtung zum Tragen einer MundNasenBedeckung im öffentlichen Raum auf stark frequentierten Verkehrswegen, Plätzen und Flächen (Insbesondere Fußgängerzonen, Verkehrsknotenpunkte), wo der Mindestabstand von 1,5 m nicht durchgägngig eingehalten werden kann, ist nicht hinreichend bestimmt (VG Gera, Beschluss vom 11.11.2020 - 3 E 1661/20).
  • VG Düsseldorf-Beschluss: Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn die Regelung für den oder die Adressaten vollständig, klar und unzweideutig ist, mithin das abverlangte Verhalten so eindeutig beschrieben ist, dass ein Adressat in der Lage ist zu erkennen, was von ihm genau gefordert wird. Eine Allgemeinverfügung ist unbestimmt, wenn ein Adressat anhand der dort niedergelegten Vorgaben nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob er der Maskenpflicht unterliegt oder nicht (VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2020 - 26 L 2226/20).
  • BSG-Urteil: Jobcenter darf Aufsuchen anwaltlicher Hilfe nicht erschweren. Die Kostenübernahme für eine notwendige anwaltliche Hilfe in einem Hartz-IV-Widerspruchsverfahren dürfen Jobcenter nicht aushebeln. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) am 20. Februar 2020 entschieden. Danach ist es den Behörden nicht erlaubt, die zu zahlenden Anwaltskosten für das vorgerichtliche Widerspruchsverfahren mit Erstattungsforderungen gegenüber dem Arbeitslosengeld-II-Bezieher aufzurechnen. Das Bundessozialgericht machte in seinem Urteil klar: Wenn Anwälte nicht sicher ihre Vergütung erhielten, bestehe die Gefahr, dass Hartz-IV-Bezieher für ihren Widerspruch keinen notwendigen Rechtsbeistand mehr finden würden. Das Sozialgesetzbuch X sieht die „ Erstattung von Kosten im Vorverfahren“ vor. Ist für ein Widerspruchsverfahren die Hilfe eines Anwalts „ notwendig“, müssen die Gebühren und Auslagen des Rechtsbeistandes erstattet werden (BSG, Urteil vom 20.02.2020 - B 14 AS 3/19 R).
  • BVerwG-Beschluss - Auflösung einer Versammlung wegen drohender Gewalttaten von Gegendemonstranten: Gegen friedliche Versammlungen darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstands eingeschritten werden. Ein solches Einschreiten kommt in Betracht, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Versammlungsbehörde wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und gegebenenfalls trotz Heranziehung externer Polizeikräfte zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts). Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 8 Abs. 1 u. 2 GG, § 15 Abs. 1 u. 3 VersammlG, § 108 Abs. 1 S. 1, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) (BVerwG, Beschluss vom 05.03.2020 - BVerwG 6 B 1.20).
  • BAG-Urteil - Benachteiligung wegen Religion: Die Ablehnung eines Bewerbers durch einen kirchlichen Arbeitgeber wegen fehlender Religionszugehörigkeit kann diskriminierend sein, entschied das Bundesarbeitsgericht. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion sei in unionsrechtskonformer Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG (RiLi) des § 9 Abs. 1 Alt. 2 Antidiskriminierungsgesetz (AGG) nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, regelmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstelle. (BAG Urteil vom 25.10.2018 - Az. 8 AZR 501/14). Vorausgegeangen war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 17.04.2018 - Az. C 414-16)
  • BVerfG-Urteil - Grundsteuer: Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Urteil vom 10.04.2018, dass die Bemessung der Grundsteuer für Immobilien verfassungswidrig sei. Die  Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbwertung von Grundstücken in den "alten" Bundesländern seit dem Beginn des Jahres 2002 seien mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungspunkt von 1964 führe zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe. Der Gesetzgeber habe bis Ende 2019 eine Neuregelung zu treffen (BVerfG, Urteil vom 10.04.2018 - Az. 1 BvL 11/14 - 1 BvL12/14 - 1 BvL 1/15 - 1 BvR 639/11 - 1 BvR 889/12)
  • BVerwG-Urteil - Diesel-Fahrverbote: Das Bundesverwaltungsgericht gab der klagenden Deutschen Umwelthilfe (DUH) recht und hält Fahrverbote für Dieselfahrzeuge grundsätzlich für zulässig, um die EU-Schadstoffgrenzwerte einzuhalten. Städte und Kommunen dürfen sie ohne bundeseinheitliche Regelung erteilen, grundsätzlich als letztes Mittel und "nicht über Nacht" (BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 - Az. 7 C 26.16 - 7 C 30.17)
  • BSG-Urteil stärkt Patientenrechte - Entscheidungsfrist der Krankenkassen: Sofern eine Krankenkasse nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen über einen Leistungsantrag entscheidet und keine Begründung anführt, darf der Versicherte von einer fiktiven Genehmigung ausgehen. Dies bekräftigte der 1. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel in einem Urteil vom 08.03.2016 - Az. B 1 KR 25/15 R.